Waschbären sind keine Haustiere
Stellungnahme zur Haltung und Aufzucht von Waschbären
von Frank-Uwe F. Michler & Berit A. Michler (Mai 2011)
In den letzten Jahren hat das private Aufziehen und Halten von Waschbären in Deutschland merklich zugenommen - in der Regel handelt es sich um vermeintliche Waisenkinder, die in der Natur bzw. im urbanen Raum aufgefunden und mitgenommen werden. Damit verbunden ist die Anzahl der Nachfragen zur Aufzucht dieser Kleinbären stetig gewachsen, so dass im Folgenden ein paar übergeordnete Informationen dazu gegeben werden sollen:
Waschbären sind Wildtiere und wurden trotz verschiedener Versuche bis zum heutigen Tag keinem erkennbaren Domestikationsprozess unterworfen. Dies bedeutet, dass diese Tiere keinerlei Eigenschaften mitbringen, die ein vernünftiges, sprich rechtlich und moralisch unbedenkliches, andauerndes oder auch nur temporäres Zusammenleben mit Menschen gewährleisten könnten.
Waschbären werden nie zahm, wie wir das beispielsweise von Hauskatzen und Hunden her kennen. Selbst handaufgezogene Tiere bleiben in aller Regel relativ scheu und lassen sich ihr Leben lang nicht wirklich zähmen. Spätestens mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife wird der bis dahin noch recht anhängliche Jungbär in aller Regel zum unberechenbaren Raubtier. Waschbären sind grundsätzlich unerziehbar. Als Halter ist man auf Grund des entstehenden Chaos und der sich entwickelnden Aggressivität dieser maskierten Langfinger schnell überfordert.
Im Ergebnis dessen werden die Jungbären entweder wieder irgendwo ausgesetzt oder sie verbringen den Rest ihres Lebens in einem Zwinger. Letzteres ist für solch eine anspruchsvolle und soziale Tierart wie dem Waschbären ein äußerst unwürdiges Dasein, das keiner artgerechten Haltung im Sinne des TierSchG entspricht. Nicht minder problematisch ist ein geplantes Aussetzen in der Wildbahn. Unabhängig von den gesetzlichen Einschränkungen (in den meisten Bundesländern erfordert jede Aussetzung eines Wildtieres eine behördliche Genehmigung) sind dabei zwei Punkte zu beachten:
1. Die Tiere haben nie gelernt, wo und wann sich geeignete natürliche Nahrungsressourcen finden lassen und wie man sichere Versteckplätze findet. Ohne ständiges Füttern haben die ausgesetzten Tiere kaum Überlebenschancen. Setzt man die Tiere zudem in Waschbärengebieten aus, so sind die Habitate in der Regel von etablierten wildlebenden Waschbären besetzt, die den Neuankömmling premanent verdrängen - eine Integration in den bestehenden Sozialverband bleibt eine seltene Ausnahme.
2. Die ausgesetzten Waschbären werden häufig zu klassischen „Problembären“, die immer wieder zu Konflikten mit Menschen führen indem sie die menschliche Nähe aufsuchen, teilweise tagaktiv sind und ein dreistes Nahrungsbetteln an den Tag legen. Ein ähnliches Verhalten zeigen im Übrigen auch wildlebende Waschbären, die aus falsch verstandener Tierliebe regelmäßig gefüttert und damit halbzahm gemacht wurden. Die Konsequenz ist meistens der Ruf nach dem Jäger. Wer handaufgezogene Waschbären aussetzt oder wilde Waschbären füttert verursacht eine deutliche Zunahme an Konflikten mit dem Menschen und erweist diesem Wildtier damit einen "Bärendienst".
Ein weiterer Aspekt bei der Aufzucht/Haltung eines Waschbären ist eine unumkehrbare Degeneration dieses Tieres - halbzahme Waschbären können immer nur ein Schatten ihrer wilden Artgenossen sein. Wer einmal die Möglichkeit hatte, das Verhalten frei lebender Waschbären zu beobachten, wird sich einer gewissen Faszination für diese äußerst intelligenten Tiere kaum entziehen können. Halbzahme Waschbären hingegen wirken in der Regel geradezu degeneriert - mit dem Verlust ihrer Unabhängigkeit verlieren sie ein großes Stück ihres natürlichen Verhaltensrepertoires und somit auch ihrer besonderen Faszination. In menschlicher Obhut können die speziellen Bedürfnisse dieses Wildtieres in aller Regel nicht befriedigt werden.
Aus den oben genannten Gründen sollte auf eine private Aufzucht und Haltung von Waschbären grundsätzlich verzichtet werden.
In einzelnen Fällen ist es jedoch tierschutzrechtlich gerechtfertigt, Waschbären aufzuziehen. Ein Grund kann z.B. das Auffinden von verwaisten Waschbärjungen sein (jeweiliges LJagdG beachten). Dabei ist zu beachten, dass ein Großteil aller vermeintlichen Waisen tatsächlich keine Waisenkinder sind. Um ihren hohen Energiebedarf während der Laktationszeit stillen zu können (bis in den vierten Lebensmonat), lassen Waschbärenmütter ihren Nachwuchs regelmäßig (Tag & Nacht) und relativ lange (> 24 Stunden!) alleine. Nach dem Verlassen der Wurfplätze werden somit häufig einzelne Jungtiere im Wald oder im Siedlungsraum "mutterseelenallein" entdeckt. Aufgefundene Jungtiere sollten somit zunächst dort gelassen werden wo sie sind - im urbanen Raum hat es sich bewährt die Jungtiere in einen Pappkarton zu setzten. Hat sich die Situation nach 24 Stunden noch nicht geändert, so scheint der Mutter tatsächlich etwas zugestoßen zu sein.
Um die Jungtiere dann erfolgreich und artgerecht aufziehen zu können, ist ein fundiertes Wissen über die Besonderheiten bei der Aufzucht und Haltung von Nöten. Dieses bekommt man durch ein intensives Literaturstudium und durch Kontakte mit erfahrenen Personen. Eine gute Möglichkeit besteht durch den Besuch von qualifizierten Internetforen (z.B. Waschbär-Forum).
Grundsätzliche Informationen zum Thema „Waschbären als Haustiere“ finden sich auch unter www.diewaschbaerenkommen.de/html/waisenkinder.html