Projekt in Vorbereitung (Stand Juli 2010):
"Der Waschbär in der Naturlandschaft - Untersuchungen zur Nahrungsökologie und zum Spulwurmbefall eines umstrittenen Neubürgers in der nordostdeutschen Tiefebene"
Kurzzusammenfassung
Der Waschbär (Procyon lotor, Linné 1758) gehört neben dem Marderhund (Nyctereutes procyonoides, Gray 1843) und dem Mink (Mustela vison, Schreber 1777) zu den neozonalen Vertretern der heimischen Raubsäugerfauna. Der ursprünglich nearktische Neubürger ist mittlerweile seit über 70 Jahren in Deutschland etabliert und tritt vorallem in jüngerer Zeit verstärkt in Erscheinung. Aufgrund seiner generalistischen Lebensweise ist er Auslöser kontroverser Diskussionen über mögliche negative Auswirkungen auf einheimische Tierarten sowie über seine Rolle als potentieller Krankheitsüberträger. Trotz der akuten Präsenz fehlen für das nordostdeutsche Tiefland bis heute sowohl valide Daten zur Nahrungsökologie des omnivoren Kleinbären als auch zur Prävalenzrate mit dem zoonotisch relevanten Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis). Im Zuge des geplanten Forschungsvorhabens sollen daher Kotproben aus dem Gebiet der nordostdeutschen Tiefebene nahrungsökologisch und im Hinblick auf den Befall mit dem artspezifischen Spulwurm analysiert werden. Diese Untersuchungen bilden eine wichtige Grundlage für die ökologische Charakterisierung des Waschbären, um letztendlich spezifische, naturschutzgerechte Managementstrategien zum Umgang mit diesem Neubürger entwickeln zu können.
Zielsetzung des Projektes
Die hohe Anpassungsfähigkeit des Waschbären, gerade auch in Bezug auf unterschiedlichste Nahrungsquellen, macht es schwierig, das Nahrungsspektrum vor dem Hintergrund einer potentiellen Gefahr einheimischer Arten zu bewerten. Trotzdem stellen umfangreiche Exkrementanalysen dafür das derzeit aussagekräftigste Werkzeug dar. Gleichzeitig können mit dieser Methodik sowohl Fragestellungen im Hinblick auf die Nahrungsökologie, als auch bezüglich des Endoparasitenbefalls kombiniert bearbeitet werden.
Für Aussagen zur Quantität verschiedener Nahrungskomponenten werden spezifische Korrekturfaktoren verwendet. Für den Waschbären existiert bislang noch kein valider Korrekturfaktor, der die Verhältnisse korrekt widerspiegelt, daher soll dies im Zuge der nahrungsökologischen Untersuchungen mit bearbeitet werden. Diese Informationen sind unerlässlich, um quantitative Aussagen zu den Nahrungskategorien des Waschbären grundlegend einschätzen und interpretieren zu können.
Nach letzten Untersuchungen zur Synopsis der Parasitenfauna des Waschbären in Deutschland (LUX et PRIEMER 1995, GEY 1998, WINTER 2005) trat der Waschbärspulwurm bislang nur in der mitteldeutschen Population in Erscheinung. Vor dem Hintergrund des Ausbreitungsgeschehens (MICHLER et KÖHNEMANN 2010) und des fortschreitenden Zusammenwachsens der beiden Schwerpunktvorkommen stellt sich nun die Frage, ob dieser potentielle Zoonoseerreger mittlerweile auch in das ostdeutsche Verbreitungsgebiet vorgedrungen ist.
Die übergeordneten Ziele des Projektes sind daher:
- die Analyse von Waschbär-Kotproben im Hinblick auf die qualitative und quantitative Zusammensetzung unterschiedlicher Nahrungskategorien
- die Ermittlung eines waschbärspezifischen Korrekturfaktors anhand von Futterversuchen mit Gegegetieren
- koproskopische Untersuchungen vor dem Hintergrund des Befalls mit dem Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonides, der als potentieller Zoonoseerreger gilt
AlsDatengrundlage stehen bis dato 2500 Kotproben aus dem Gebiet des Müritz-Nationalparks (Mecklenburg-Vorpommern) zur Verfügung, die in den letzten vier Jahren im Rahmen der wildbiologischen Forschungsstudie "Projekt Waschbär" zusammengetragen wurden. Da es sich hierbei erstmalig um eine große Anzahl von Kotproben aus einer Region handelt, bilden diese Proben eine sehr aussagekräftige Basis für die Einschätzung des Nahrungsspektrums des Waschbären in der Naturlandschaft der nordostdeutschen Tiefebene. Hier befindet sich eines der europäischen Kernverbreitungsgebiete des Waschbären mit den höchsten Populationsdichten, die bislang für naturnahe Habitate ermittelt wurden (MICHLER et al. 2008). Gleichzeitig zählt diese Region Deutschlands zu den Gebieten mit der größten biologischen Vielfalt. Vor diesem Hintergrund erhält die Ermittlung der Nahrungsansprüche des Waschbären in diesen wertvollen Naturlandschaften eine zusätzliche Bedeutung.